Friedrich Gulda © mica
Stilbeschreibung
"Wenn man, wie viele meiner bedauernswerten Kollegen, die Meinung vertritt, die "Moderne Musik" sei das, was man gemeinhin darunter versteht: Strawinsky, Bartok, Schönberg, Stockhausen, Boulez usw. - und viele tun das -, dann ist das für mich geistiger Selbstmord. Und so viele Klassikidioten, ob Zuhörer oder Kritiker, verstehen das nicht. Die leben in diesem schrecklichen Ghetto. Wenn diese Musik allein meine musikalische Nahrung gewesen wäre, dann gute Nacht! [...] Für mich ist die moderne Musik die Musik unserer Zeit in einem positiven und zufriedenstellenden Sinn, wo man als Musiker weiß, warum man sich überhaupt mit Musik beschäftigt, also wozu man lebt, und das habe ich in der Musik unserer Zeit, nämlich im Jazzclub, gefunden. [...] Mit welchem Recht und von welcher Instanz leiten speziell die Zwölftöner, aber auch andere moderne Komponisten, die ohne Grundton und ohne Tonalität auszukommen glauben, ihre Ordnungsprinzipien her? Ist das schrankenloser Individualismus? Wenn das so ist, dann ist die "Freie Musik" besser. Aber wenn einer sagt, gut, ich mache jetzt mit zwölf aufeinanderbezogenen Tönen Musik, dann muß die Frage erlaubt sein, ja bitte, warum nicht mit dreizehn oder mit elf oder mit Vierteltönen. [...] Die Zehn Gebote kommen nun mal von Gott, des nützt einfach nix, und es ist niemand da, der das ersetzen könnte, auch nicht in dem kleinen und unwichtigen Bereich der Musik. [...] Daß ein System von Menschen erdacht wird, halte ich nun - weder künstlerisch noch politisch - wirklich nicht für geeignet, um das Chaos zu verhindern. Ich glaube, daß man den Leuten etwas in die Hand geben muß, woran sie sich halten können, wo sie sich von Herzen wohlfühlen können und ja sagen und wofür sie sich überschwenglich bedanken. Das kann vielleicht der "Musikantenstadl" auch. Aber der Unterschied zwischen meinen "neokonservativen" Werken und dem Musikantenstadl ist, daß bei meiner Musik die Berechnung, das Buhlen um die Gunst des Publikums wegfällt. [...] Ich glaube, die Leute sind deswegen so dankbar für diese Musik, weil sie spüren, daß das, was ich ihnen da sage, was zum Glauben, zum Glücklichsein ist, und daß ich diese Wendung selbst vollzogen habe. Sonst könnte ich nicht so komponieren. Denn was ich da schreibe, ist nicht nur erfreulich und vergnüglich, so wie von mir aus der Musikantenstadl auch, sondern es ist vor allem wahr, und das ist der Musikantenstadl nicht. Das ist der Unterschied."
Friedrich Gulda, in: Friedrich Gulda. Aus Gesprächen mit Kurt Hofmann. - München: Langen Müller Theaterverlag, 1990. - S. 117 f., 148 f. u. 217 f., zitiert nach: Günther, Bernhard (1997) (Hrsg.): Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 483.
Auszeichnungen
1946 1. Preis beim "Internationalen Musikwettbewerb in Genf"
1959 Republik Österreich Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
1968 Deutsche Phono-Akademie Deutscher Schallplattenpreis für die Einspielung der 32 Beethovensonaten bei "Amadeo"
1969 MUK - Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (früher: Konservatorium Privatuniversität Wien) Ehrenring des 3. Wiener Beethovenwettbewerbs (15. Juni), Rückgabe 5 Tage später
1989 Stadt Wien Ehrenring der Stadt Wien
Ausbildung
1938–1942 MUK - Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (früher: Konservatorium Privatuniversität Wien) Wien privater Unterricht ab dem Alter von 8 Jahren (Felix Pazofsky) Klavier
1942–1947 Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien: Klavier (Bruno Seidlhofer)
1942–1949 Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien Wien Komposition, Musiktheorie (Joseph Marx)
Tätigkeiten
1946 Beginn der Karriere als Konzertpianist
1948–1949 an die 30 Konzerte quer durch Europa, 1. Südamerika-Tournee mit 37 Konzerten u.a. in Rio de Janeiro, Sào Paolo, Montevideo und Buenos Aires
1951 Salzburger Festspiele Salzburg Debüt
1954 Internationale Sommerakademie Mozarteum Salzburg Salzburg erstmals Leitung einer Meisterklasse
1955 Ausweitung des Repertoires wegen kritischer Sicht des gängigen Konzertbetriebs
1955 Gründung des "Klassischen Gulda Orchesters"
1960 weiterhin rege Konzerttätigkeit als klassischer Pianist (112 Konzerte)
1960 Konzentration auf Jazz
1962 vorläufiger Rückzug aus dem Konzertbetrieb
1964–1966 Gründer und Leiter des Big Band-Projekts "Eurojazz-Orchester"; zahlreiche Auftritte in Graz und Wien
1966 Wien Initiator des "Internationalen Wettbewerbs für Modernen Jazz Wien" für Nachwuchsmusiker
1968 Amadeo Einspielung sämtlicher Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven
1968–1971 Initiator und Leiter des "Internationalen Musikforums Ossiach" (Übersiedelung ab 1971 nach Viktring, später auch Schloß Moosham und Salzburg)
1990 Wiener Festwochen Wien Konzeption und musikalische Leitung der Eröffnung der Wiener Festwochen (12. Mai) am Rathausplatz unter dem Motto "Offene Grenzen" u.a. mit Guldas neu gegründeter Jazz-Rock Formation "The Paradise Band"
1991 zahlreiche Konzerte unter dem Titel "Mozart no End and the Paradise Band" (u.a. in Wien, Frankfurt, Zürich, Mailand und Barcelona)
Initiator von "Tagen freier Musik"
Konzerte mit "Weather Report", "Anima" und Ursula Anders
Zusammenarbeit mit Musikern von Heinrich Schiff bis Joe Zawinul
Aufführungen (Auswahl)
1947 Simmeringer Pfarrkirche, Wien: Messe B-Dur (UA)
1951 Wiener Konzerthaus Uraufführung (7. April) Sieben Galgenlieder
1953 Wiener Konzerthaus - Mozart-Saal Uraufführung der "Musik für Streichquartett" durch das Samohyl-Quartett (30. November)
1962 Berlin Uraufführung Music for Piano and Band Nr. 1 - Piano Concerto No. 1
1964 Graz Uraufführungen durch das "Eurojazz-Orchester" Music for Piano and Band Nr. 2 - Piano Concerto No. 2
1964 Graz Uraufführungen durch das "Eurojazz-Orchester" The Veiled Old Land - Fantasy for 4 Soloists and Band
1992 München konzertante Uraufführung (20.Juli) in der Münchner Philharmonie Paradise Island
zahlreiche Veranstaltungen unterschiedlichsten Formats
Literatur
1997 Günther, Bernhard (Hg): Gulda Friedrich. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: Music Information Center Austria, S. 482-484.
mica-Artikel: Play Gulda Play im Konzerthaus (2010), mica-Artikel: Upper Austrian Jazz Orchestra plays Friedrich Gulda (2011)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 22. 8. 2024): Biografie Friedrich Gulda. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/55104 (Abrufdatum: 21. 11. 2024).